Seit vielen Jahren ist es Tradition, dass der unterfränkische Regierungspräsident kurz vor Beginn der Sommerferien das fränkische Weinanbaugebiet bereist. In dieser Woche nun machte sich nach zwei Jahren Corona-Zwangspause Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann wieder auf dem Weg, um sich vor Ort in den Weinbergen und in den Betrieben der Silvaner Heimat Franken zu informieren.
Wein und Tourismus beim Weingut Reiss
Ausgangspunkt der diesjährigen Weinbaubereisung, die thematisch unter dem Motto „Europa und die Silvaner Heimat – Umsetzung des romanischen Herkunftssystems“ stand, bildete das Würzburger Weingut Reiss. Dort wurden Dr. Ehmann, die 65. Fränkische Weinkönigin Eva Brockmann und Weinbaupräsident Artur Steinmann sowie Vertreter der Regierung von Unterfranken und der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) von Christian und Martina Reiss willkommen geheißen und über das Familienweingut informiert. So berichtete Inhaber Christian Reiss, dass das Familienweingut 1960 vom Vater gegründet wurde, die Wurzeln des Weinbaus aber bis 1800 zurückreichen würden. Beim Rundgang durch den Betrieb erfuhren die Gäste, dass der Betrieb zu 35 Prozent Silvaner anbaue, sehr stark im Tourismus- und Eventbereich aufgestellt sei, wie man durch die Corona-Pandemie gekommen sei und dass es wegen des Krieges in der Ukraine aktuell sehr schwer sei, Flaschen zu bekommen, da sich vier Glashütten im dortigen Kriegsgebiet befänden.
Rebstock für den geographische Mittelpunkt der Europäischen Union
Die zweite Station bildete der neue geographische Mittelpunkt der Europäischen Union, der sich durch den Brexit Großbritanniens am 31. Januar 2020 nun auf einem Acker bei Gadheim (Lkr. Würzburg) befindet. Nach der Begrüßung durch den Veitshöchheimer Bürgermeister Jürgen Götz und die stellvertretende Landrätin Karen Heußner pflanzten Regierungspräsident Ehmann und die Fränkische Weinkönigin Eva Brockmann direkt im Schatten der Vermessungslatte, die den Mittelpunkt symbolisiert, Rebstöcke in den fränkischen Farben. Abschließend verewigten sich Regierungspräsident und Weinkönigin noch im Mittelpunkts-Gästebuch, das Ministerpräsident Dr. Markus Söder anlässlich der Einweihungsfeier der Gemeinde Veitshöchheim durch Digitalministerin Judith Gerlach überbringen ließ.
Verwurzelt in Franken
Von Gadheim ging es weiter nach Retzbach ins dortige Weingut Christine Pröstler. Das 2012 gebaute Weingut wurde dem Regierungspräsidenten von Dr. Hermann Kolesch, dem Sonderbeauftragten des Fränkischen Weinbauverbandes und ehemaligen LWG-Präsidenten, als beispielhafter Bau für einen ausgesiedelten Betrieb vorgestellt. Dieser zeigte sich tief beeindruckt von der Retzbacher Powerfrau, die es in nur zehn Jahren geschafft hatte, einen Betrieb komplett neu aufzubauen und nach ganz oben zu bringen.
Obwohl sie während ihrer Ausbildung und ihres Studiums sehr viel in der Welt – z. B. Südafrika und Neuseeland – herumgekommen ist, ist doch sehr deutlich spürbar, wie tief Christine Pröstler in ihrer Heimat und im fränkischen Weinbau verwurzelt ist. Auf die Frage nach dem Geheimnis ihres Erfolges antwortet die Winzerin augenzwinkernd mit der „magischen“ Formel 24/7. Beim Rundgang durch ihren Betrieb berichtet auch sie von den Schwierigkeiten während der Pandemie und dass man diese durch den Online-Handel und Online-Weinproben ganz gut durchgekommen sei. Das ging sogar so weit, dass man ein ganzes Hofschoppenfest online gefeiert habe. Trotz ihres erfolgreichen Online-Konzeptes betonte die Winzerin aber, dass Face-to-Face-Kontakte unbezahl- und unschlagbar seien.
Magischer Ort des Wein: terroir f Stetten
Die vorletzte Station bildete der terroir f-Punkt im Stettener Stein, der 2020 vom Deutschen Weininstitut als „Schönste Weinsicht Frankens“ ausgezeichnet wurde. Dieser Aussichtspunkt mit einem gigantischen Ausblick ins Maintal ist einer von aktuell 20 magischen Punkten in der fränkischen Weinbauregion. Wie von Dr. Kolesch zu erfahren war, werden in nächster Zeit wohl zwei weitere magische Orte zum Wein dazukommen. Nach kurzen Gesprächen mit dem Karlstädter Bürgermeister Michael Hombach und dem Eußenheimer Bürgermeister Achim Höfling ging es zum Abschluss der Reise noch ins Weingut Höfling in Eußenheim.
Winzer mit Kreativität
Dort wurde die Gruppe von Winzer Klaus Höfling im Gewölbekeller aus dem Jahre 1559 willkommen geheißen. Wie von Höfling zu erfahren war, sei das Weingut trotz seines alten Kellers erst 1988 gegründet worden und bewirtschafte heute rund 23 Hektar Rebfläche. Im Gespräch mit dem Regierungspräsidenten informierte Höfling, dass es nicht immer ganz einfach sei, ein Weingut in dieser Größenordnung mitten im Altort zu führen. Doch das gute Einvernehmen mit den Nachbarn mache vieles möglich. Auch Klaus Höfling berichtete über die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Klimawandels auf seinen Betrieb. Gerade beim Thema Wasserversorgung befürchte er, dass Orte mit wenig Tourismus und wenig Weinbaubetrieben gegenüber Gemeinden mit viel Weingüter und einem lebhaften Tourismus, wie z.B. an der Mainschleife das Nachsehen haben könnten.
Bei der abschließenden fränkischen Brotzeit zeigte sich Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann tief beeindruckt von der Kreativität der einzelnen Weingüter, die diese ganz besonders in der Coronazeit an den Tag gelegt hätten. Es zeigte sich, dass es keine Patentlösung gebe, aber jeder Betrieb doch mehr oder weniger in der Krise eine Nische für sich gefunden habe. Außerdem erfuhr er bei dieser Bereisung, dass die fränkischen Winzer auch in Sachen Vinifizierung nicht nur auf Holzfass und Stahltanks setzen, sondern auch hier mit Muschelkalkfass, Betonei oder Amphore kreativ zugange seien.
Überrascht war Ehmann über die Auswirkung des Ukrainekrieges auf die fränkischen Winzer. Da sich vier wichtige Glashütten in der Ukraine befinden, klagen aktuell sehr viele Winzer über Schwierigkeiten und Verzögerungen bei Flaschenlieferung. In diesem Zusammenhang wurde auch über die Befüllung von alternativen Gebinden wie z.B. Bag-in-Box gesprochen.
Wichtiges Thema der Weinbaubereisung war vor allem die Anwendung des romanischen Herkunftssystems auf den deutschen bzw. fränkischen Weinbau. In Anlehnung an das romanische Modell soll sich das deutsche Qualitätsweinsystem stärker an der geografischen Herkunft orientieren. Wichtig ist, dass der Verbraucher künftig klar erkennt, dass für die einzelnen Kategorien Mindestanforderungen gelten und für die Qualität vor allem entscheidend ist, wo der Wein angebaut wird.
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