Kreis Borken/Heek. – Die leckeren japanischen Reisbällchen haben es ihm angetan, die Höflichkeit der Menschen ebenfalls. Voller Eindrücke ist Tim Wieling aus Tokio zurückgekehrt. Dort hat der Auszubildende der 2G Energy AG aus Heek ein Praktikum absolviert – mit Unterstützung des „Berufskollegs Wirtschaft und Verwaltung Ahaus“ sowie der IHK Nord Westfalen. Drei Wochen lang sammelte der angehende Industriekaufmann, der in Heek wohnt, bei der Technis Co. Ltd. jede Menge Einblicke in eine fremde Kultur. Das Unternehmen aus Tokio und 2G Energy haben bereits bei der Installation diverser Projekte in Japan zusammengearbeitet – unter anderem bei einer Wasserstoff-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage in der Toyota City.
Die Unterschiede zwischen der japanischen und der deutschen Arbeitskultur beeindruckten Wieling besonders. In japanischen Büros herrsche eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre, „selbst in Großraumbüros ist Smalltalk selten“, berichtet er. „Homeoffice ist unüblich, für mich als Deutscher inzwischen ungewohnt“, erzählt er. „In Japan sind die Arbeitszeiten generell länger, viele bleiben bis spät abends im Büro.“ Zum Abendessen geht es dann mit den Kolleginnen und Kollegen in sogenannte „Izakayas“. „Dort werden kleinere Gerichte serviert, ähnlich wie Tapas, begleitet von Bier oder Sake.“
Die exotischen Speisen hat er gern probiert, zu seinen Favoriten gehören „Onigiri“. Das sind dreieckig geformte Reisbällchen, zum Beispiel mit Lachs gefüllt, umhüllt von einem Algenblatt. Lieber aus dem Weg gegangen ist er Innereien wie Leber oder Zunge. „Die gelten in Japan als Delikatesse.“ Überrascht hat ihn die Ordnung und Rücksichtnahme, trotz der enormen Bevölkerungsdichte. „Insbesondere in Tokio findet man kaum Müll auf den Straßen und alles wirkt sauber und strukturiert.“ Selbst beim Bahnfahren oder auf der Rolltreppe stellen sich die Japaner ganz selbstverständlich in einer Reihe an. „Auch unter Stress bleiben die Menschen respektvoll und aufmerksam.“
Ob er ein Praktikum in Japan weiterempfehlen kann? „Ja, absolut!“ Ein Auslandsjahr dort zu verbringen, um die Sprache besser zu lernen und das Land intensiver zu bereisen, würde ihn reizen. Dauerhaft dort zu arbeiten, kann er sich aber nicht vorstellen. „Die japanische Lebensweise gefällt mir sehr gut. Die Arbeitszeiten sind aber deutlich länger als in Deutschland, die Gehälter oft niedriger. Und insgesamt hat man weniger Freizeit.“
Gerade wegen der großen kulturellen Unterschiede empfand er die Zeit dort als beruflich und persönlich besonders wertvoll. Sein Tipp: „Vorher ein paar japanische Begriffe lernen, denn viele sprechen wenig oder gar kein Englisch.“ Eine gute Idee sei es auch, sich mit Kulturregeln vertraut machen. In Deutschland zum Beispiel kaum vorstellbar, aber in Japan selbstverständlich: In der Bahn werde nicht laut gesprochen oder telefoniert, das Handy bleibe grundsätzlich auf „lautlos“ gestellt.
In Tokio absolvierte Wieling nicht sein erstes Auslandspraktikum. Er war bereits bei einem Tochterunternehmen von 2G in den USA. Aktuell ist er für vier Monate beim Verband COGEN Europe in Brüssel tätig, der zentralen politischen Interessenvertretung der KWK-Branche bei der EU. Sowohl der Tokio- als auch der Brüssel-Aufenthalt wurden über das Programm Erasmus+ gefördert. Das Programm will genau diese Mobilität junger Menschen fördern. Bei den Finanzierungsfragen und der Organisation für das Praktikum in Japan half ihm Andrea Dietl, die zuständige Koordinatorin beim Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung Ahaus. Die IHK Nord Westfalen wiederum vermittelte den Zugang zu den Mitteln für seine Tätigkeit in Brüssel.
Bei der IHK unterstützt Mobilitätsberaterin Sarah Timmer Azubis dabei, die bereits während ihrer Ausbildung internationale Erfahrung sammeln wollen. „Viele wissen gar nicht, dass ein während der Ausbildung möglich ist“, erklärt sie und beschreibt den Service der IHK: „Wir suchen nach einem Praktikumsplatz im europäischen Ausland, klären Formalitäten und die Nutzung von Fördermitteln. Auszubildende und junge Fachkräfte entwickeln sich fachlich und persönlich weiter“, empfiehlt sie einen Auslandsaufenthalt, zumal auch Unternehmen davon profitieren. „Sie präsentieren sich als attraktiver Arbeitgeber und sie holen sich neues Know-how und Impulse in den Betrieb“, betont die IHK-Mobilitätsberaterin.